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Sozioökonomische Bewertung

Titel des Teilprojektes:
Sozioökonomische Bewertung von Landmanagementstrategien

Einführung:
Änderungen der Landnutzung haben neben ökologischen Folgen auch sozioökonomische Konsequenzen. Das Teilvorhaben "Sozioökonomische Bewertung von Landmanagementstrategien" führt daher direkte und indirekte Kosten und Nutzen von Landmanagementoptionen zu einer integrierten Bewertung zusammen, mit der alternative Managementstrategien miteinander verglichen werden können. Das Teilprojekt legt dabei einen Schwerpunkt auf die landwirtschaftlich geprägte Landnutzung.

Institution:
Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW)

Ziele

Ziel dieses Teilvorhabens ist es, Veränderungen der landwirtschaftlichen Landnutzung in einem komplexen Set von Ökosystemdienstleistungen (ecosystem services) aus gesellschaftlicher Sicht zu erfassen und zu bewerten. Anhand einer ökologisch und sozial erweiterten Kosten-Nutzen-Analyse werden

  • einerseits Ergebnisse aus den agrarökonomischen Modellierungen sowie den Modellierungen zu Klimawirkungen, Nährstoffhaushalt und Wasserqualität der Projektpartner aus Modul M in die Bewertung einbezogen,   
  • andererseits eigene Primärerhebungen, Berechnungen und Analysen vorgenommen,

um zusätzliche Nutzendimensionen abzubilden.

Diverse Nutzenstiftungen einschließlich  finanzieller Vorteile durch Ökosystemdienstleistungen werden im politischen Prozess gegenüber den Kosten ihrer Bewahrung oder Bereitstellung häufig nachrangig wahrgenommen. Dies liegt unter anderem daran, dass diese Leistungen häufig nicht direkt über Märkte bewertet und vergütet werden und zudem auch nicht unmittelbar mit einer Nutzung verbunden sein müssen (Options-, Existenz- und Vermächtniswerte).

Eine Wertschätzung im Sinne einer Option (Optionswert) haben Befragte, wenn sich diese nicht auf eine aktuelle, sondern auf potentielle zukünftige Nutzungs- oder Handlungsmöglichkeiten bezieht. Das kann z. B. die Wertschätzung für zukünftige Erholungsmöglichkeiten in der regional bedeutsamen Landschaft sein. Der Existenzwert beschreibt eine Wertschätzung für das Wissen um das Vorkommen z. B. einer Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten, ohne diese jedoch direkt nutzen zu wollen (z. B. in pharmazeutischer Hinsicht). Bezieht sich die Wertschätzung auf zukünftige Generationen, spricht man auch von Vermächtniswerten.

Eine Erfassung dieser direkten und indirekten Kosten und Nutzen in Geldwerten schafft eine einheitliche Bewertungsdimension, die für Stakeholder die zahlreichen verschiedenen Wirkungsdimensionen vergleichbar macht.

Die erweiterte Kosten-Nutzen-Analyse dient somit als wertvolles Instrument zur Information von Stakeholdern in Entscheidungsprozessen über alternative Landmanagementstrategien. Die durchgeführte Analyse kann

  • einerseits auf gesamtgesellschaftlich effiziente Lösungen hinweisen,   
  • andererseits auch spezielle Betroffenheiten und Konfliktpotenziale aufzeigen, die sich aus bestimmten Strategien in Bezug auf spezielle soziale oder regionale Gruppen von Stakeholdern ergeben können.

Forschungsansatz und Methoden

Das Teilvorhaben "Sozioökonomische Bewertung von Landmanagementstrategien" befasst sich mit Abwägungsentscheidungen (Zielkonflikte) und Synergien zwischen einem kohlenstoffoptimierten Landmanagement und anderen gesellschaftlichen Ansprüchen. Dabei stehen die

  • Produktion von Nahrungsmitteln und Biomasse,   
  • die Klima- und Nährstoffregulierung,   
  • der Erhalt von Biodiversität und   
  • eine Reihe weiterer Ökosystemfunktionen im Fokus der Untersuchung.

Durch die Erfassung und Bewertung der Auswirkungen alternativer Landmanagementstrategien in diesem Rahmen werden die sozioökonomischen Konsequenzen von Klimaschutzzielen sichtbar und damit verbundenen Landnutzungsentscheidungen für Stakeholder und politische Entscheidungsträger vorbereitet.

Energie- und agrarpolitische Rahmensetzungen sowie Entwicklungen auf den Weltmärkten werden in Basisszenarien abgebildet und bei der Bewertung berücksichtigt. Neben den agrarökonomischen Modellierungsergebnissen aus Modul M werden durch das Teilprojekt auch die Ergebnisse der ökologischen Modellierungen (Klimawirkungen, Nährstoffhaushalt, Wasserqualität) einebezogen und sozioökonomisch bewertet.
 

Entwicklung des Analyserahmens

Unter der Leitung des IÖW wird in Modul A ein Analyserahmen entwickelt, mit dem die Nachhaltigkeit von Landnutzungsänderungen und Landmanagementstrategien in einer umfassenden Perspektive bewertet wird. Dazu werden marktliche und nicht-marktliche Ökosystemdienstleistungen (wie z. B. Erholungsfunktion, Landschaftsbild, Biodiversität) monetär bewertet. Die Ergebnisse fließen als sozioökonomische Dimensionen in die Gesamtbewertung der Landnutzungsstrategien ein.

Das IÖW arbeitet außerdem bei der Konzeption der in Modul S zu entwickelnden Szenarien, sowie bei der Konzeption und Durchführung des nationalen Stakeholderprozesses (Modul S) mit.

Ergebnisse

In der ersten Projektphase wurde in Zusammenarbeit mit den Teilprojekten ein Analyse- bzw. Bewertungsrahmen für die in CC-LandStraD im Rahmen der Nutzen-Kosten-Analyse zu bewertenden Landnutzungsoptionen erarbeitet. Dabei wurde im Rahmen des Ecosystem Service-Ansatzes insbesondere auf bereitstellende, regulierende, und kulturelle Ökosystemdienstleistungen fokussiert. Zur Erfassung und Bewertung der jeweiligen Ökosystemdienstleistungen wurden geeignete Indikatoren sowie sinnvolle übergreifende Bewertungsansätze identifiziert. Das Teilprojekt hat zudem bei der Konzeption der Szenarien in Modul S mitgearbeitet sowie bei der Konzeption und Durchführung des nationalen Stakeholderprozesses (Modul S). Die Zwischenergebnisse aus den beiden Stakeholderprozessen in den Fokusregionen (Modul F) sind im Rahmen der Konzeption der Primärdatenerhebung berücksichtigt worden.

Der Analyserahmen fokussiert auf die Erfassung und Bewertung von Veränderungen der bereitstellenden, regulierenden und kulturellen Ökosystemdienstleistungen, die durch veränderte Landnutzungen in der landwirtschaftlich genutzten Landschaft betroffen sind.

Im Hinblick auf die Bewertung der bereitstellenden Ökosystemdienstleistungen werden die Produktion von pflanzlichen Nahrungsmitteln, die Produktion von Futtermitteln, die Tierproduktion sowie die Produktion von Biomasse bzw. Energiepflanzen auf landwirtschaftlichen Flächen berücksichtigt. Als ökonomische Bewertungsansätze können Marktpreise, Hoftorpreise, betriebliche Verrechnungspreise und andere geeignete bzw. verfügbare Preise für Agrargüter herangezogen werden. Aus dem Bereich der Modellierung fließen in die Bewertung der bereitstellenden Ökosystemdienstleistungen die Ergebnisse zu Landwirtschaft, Forst, Siedlung und Verkehr (im Schwerpunkt die drei Thünen-Institute LR, AK, FO und BBSR) mit ein.

Die Bewertung von regulierenden Ökosystemdienstleistungen umfasst die Klimaregulierung bzw. den Beitrag zur Stabilisierung von klimarelevanten Gasen und die Regulierung des Nährstoffhaushalts bzw. die Nährstoffretention. Die potentielle Bewertung weiterer regulierender Ökosystemdienstleistungen wird mit den Teilprojekten im Hinblick auf verschiedene Aspekte u. a. Datenverfügbarkeit abgestimmt. Als ökonomische Bewertungsansätze werden "Marktpreise" für CO2-Zertifikate sowie Schätzungen für durch funktionierende regulierende Ökosysteme vermiedene Kosten (Vermeidungskosten) oder Schäden (Schadenskosten) berücksichtigt. In die Bewertung der regulierenden Ökosystemdienstleistungen fließen aus der Modellierung die Ergebnisse zu Treibhausgasemissionen, Boden, C/N-Pool, Biomasse, Nährstoffen sowie Wasser (im Schwerpunkt PIK und Thünen-Institut AK) mit ein.

Vermeidungskosten können als Näherungswert für die gesellschaftliche Zahlungsbereitschaft für die Reduzierung von Beeinträchtigungen von Ökosystemdienstleistungen betrachtet werden (Umweltbundesamt 2008, S. 21) – wenn davon ausgegangen werden kann, dass der politische Prozess individuelle Präferenzen soweit adäquat abbildet und in umweltpolitisches Handeln übersetzt, dass die damit verbundenen Kosten von der Mehrheit als angemessen empfunden werden.

Vermeidungskostenberechnungen beruhen auf Kostenschätzungen realisierter oder realisierbarer Maßnahmen, die eine Minderung der antizipierten Umweltschäden, aber keine vollständige Behebung dieser erwirken (Umweltbundesamt 2008). Dabei stehen Vermeidungskostenschätzungen immer in direktem Bezug zur den Maßnahmen und deren verhinderter Emissionen oder Erreichung umweltpolitischer Ziele. Bei der Schätzung wird jeweils das kostengünstigste Maßnahmenszenario relativ zu einem Referenzfall betrachtet (BFE 2011). Vermeidungskosten stellen deshalb einen Maßstab für die untere Grenze des Nutzenverlustes dar (Umweltbundesamt 2008, S. 43). Hierzu ein Beispiel:

  • Die durch die Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft entstehenden Gewässerverunreinigungen verursachen Kosten für den Bau und die Unterhaltung von Kläranlagen, die mit dem Ziel aufgewendet werden, Flüsse, Seen und Küstengewässer in einen ökologisch guten Zustand zu bringen oder zu halten, der ansonsten durch die Emissionen aus der Landwirtschaft beeinträchtigt wäre. Die externen Kosten des Eintrags eines Kilogramms Stickstoff aus der Landwirtschaft können also durch die Kosten für die Entfernung eines Kilogramm Stickstoff mit Hilfe einer Kläranlage abgebildet werden (UBA 2008, S. 43) - umgekehrt würde der Verzicht auf die den gewässerverschmutzenden Eintrag verursachende Überdüngung Vermeidungskosten an anderer Stelle einsparen.

Die Beeinträchtigung von regulierenden Ökosystemdienstleistungen führt häufig zu Schäden, entweder direkt an Elementen des Ökosystems oder indirekt über den Wegfall von weiteren Leistungen, die von "vorgeschalteten" regulierenden Leistungen abhängig sind. Hierzu drei Beispiele:

  • Werden durch übermäßige Düngung landwirtschaftlich genutzter Böden Grundwasservorkommen für die Trinkwassernutzung beeinträchtigt, entstehen höhere Wasseraufbereitungs- oder Bereitstellungkosten. Dies ist als Schaden zu betrachten, denn das so verschmutzte Grundwasser kann dann nicht mehr mit geringem Aufwand als Trinkwasser bereitgestellt werden.  
  • Der durch die Emission von Treibhausgasen angeheizte Klimawandel kann unter anderem zu vermehrten Extremwetterereignissen, Meeresspiegelanstieg und Gesundheitsbeeinträchtigungen führen - die Schäden werden mit mindestens 0,5 bis 3 Prozent des weltweiten Bruttosozialprodukts beziffert (Stern 2008; Tol 2005; Umweltbundesamt 2008). 
  • Die Versiegelung von zuvor landwirtschaftlich genutzten Böden führt zu einem Verlust der Wasserspeicherleistung und kann zu einer Erhöhung von Hochwasserpegeln beitragen und damit Überschwemmungsschäden bei den Unterliegern erhöhen.

Der Schutz der bestehenden z. B. das Klima und den Nährstoffkreislauf regulierenden Ökosystemdienstleistungen kann durch klimafreundlichere Formen der Landnutzung die genannten Schäden vermeiden helfen. Der Wert der Ökosystemdienstleistungen entspricht dabei also mindestens dem Wert der durch ihren Erhalt zu vermeidenden Schäden.

Im Hinblick auf die Bewertung von kulturellen Ökosystemdienstleistungen fokussiert das Teilprojekt auf verschiedene Aspekte der ästhetischen Wahrnehmung des Landschaftsbildes in der land- und forstwirtschaftlich genutzten Landschaft einschließlich Zusammensetzung und Größenverhältnis der Anbauflächen zueinander, Intensität der Bewirtschaftung bei verschiedenen Landnutzungsformen sowie Artenvielfalt in der Agrarlandschaft und im Grünland. Daneben wird die Flächenumwandlung von landwirtschaftlichen Flächen in Siedlungs- und Verkehrsflächen im Rahmen der Bewertung thematisiert. Die Landschaftsbildbewertung erfolgt dabei sowohl monetär als auch nicht-monetär (über rein visuelle Bewertung). Zur monetären Bewertung der kulturellen Ökosystemdienstleistungen wird die Stated Preference-Methode (Choice Experiment) eingesetzt. Dazu wird eine deutschlandweit repräsentative Befragung der Bevölkerung durchgeführt. Bei der Bewertung der kulturellen Ökosystemdienstleistungen arbeitet das Teilprojekt eng mit den Bearbeiterinnen und Bearbeitern aus den Teilprojekten des Thünen-Instituts für Biodiversität und des Thünen-Instituts für Forstökonomie zusammen. Die Zwischenergebnisse aus diesen Teilprojekten werden daher im Rahmen der Bewertung mit einem besonderen Schwerpunkt berücksichtigt.

Kontakt

Wissenschaftliche Leitung
Dr. Jesko Hirschfeld

Mitarbeit
Dr. Sandra Rajmis
Julian Sagebiel

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